16.03.09

Offen für alle – offen für alles

von Jasmin Bühler

Aus den schwarzen, mannshohen Musikboxen dröhnen die ersten rockigen Gitarrenklänge. Das Schlagzeug wird in der Zwischenzeit noch aufgebaut. Nebelmaschine und Mischpult stehen bislang ungebraucht in der Ecke. Und auch die Deckenscheinwerfer kommen wegen des eindringenden Tageslichts vorerst nicht zum Einsatz. Über der gesamten Szene dreht sich langsam die klassische Spiegelfacetten-Discokugel. „Yes!“ ertönt es da plötzlich aus dem Lautsprecher. Christian Schönfelder hat das Mikrofon eingestöpselt. Sein Kopf schaut hinter einer der riesigen Boxen hervor. „Cool, Jungs! Jetzt könnt ihr loslegen...“

Jugendpfleger Christian Schönfelder. Foto: Edgar Pfrogner

Schönfelder arbeitet seit vier Jahren Jugendpfleger der Verwaltungsgemeinschaft Gräfenberg. Der 32 Jahre alte Forchheimer organisiert dort den offenen Jugendtreff: Montags, mittwochs und freitags findet der Treff in Weißenohe statt, dienstags und donnerstags in Gräfenberg. Für die Jugendlichen im Umkreis ist er nicht nur Aufsichtperson und Anlaufstelle für die kleinen und großen Probleme des Lebens, sondern auch Freund und Kumpel.

In dem Jugendzentrum (Juz) in Gräfenberg startet heute das „Bandprojekt“, das Schönfelder ins Leben gerufen hat. „Ich hab’ das Projekt initiiert, weil ich selber gerne Rockmusik mache und den Jugendlichen die Möglichkeit geben will, das auch zu tun,“ erklärt er seine Idee. Mit dem Out-of-bed-Look, den drei Ohrringen im linken Ohr und den schwarz-weiß karierten Leinentretern kann der 32-Jährige glatt selbst als Rockband-Mitglied durchgehen. Bislang sind es vier Jungs im Alter zwischen 13 und 15 Jahren aus Gräfenberg und Umgebung, die an dem Bandprojekt teilnehmen und sich von nun an regelmäßig zum Musikmachen treffen wollen. Sie können es daher genauso wenig wie ihr Mentor erwarten, das alte Fabrikgebäude - in dem sich das Juz befindet - so richtig zu rocken. Fachmännisch hilft Hobby-Rocker Schönfelder seinen Schützlingen bei dem Aufbau der Instrumente und der Inbetriebnahme der Technik. Doch kaum sind die ersten Töne erklungen, muss sich der Jugendpfleger auch schon von der ersten Probe der neuen Band verabschieden und auf den Weg ins benachbarte Weißenohe machen, wo er freitags den offenen Jugendtreff leitet.

Als Jugendzentrum dienen in Weißenohe die Räumlichkeiten des leerstehenden alten Schulgebäudes. An dem Eingang zum Treff klebt ein Sticker mit der Aufschrift „alle anders – alle gleich“. Es ist ein Aufkleber der Europäischen Jugendkampagne für Vielfalt, Menschenrechte und Partizipation. „Vielfalt“ – das ist auch für Schönfelder ein Leitbegriff bei seiner Jugendarbeit. „Unser Jugendtreff trägt nicht umsonst das Begleitwort ‚offen’“, sagt der studierte Diplom-Sozialpädagoge, der vor ein paar Jahren auch mal als Praktikant beim Kreisjugendring Forchheim tätig war. „Offen“ bedeutet für ihn „offen für alle und offen für alles“ –  „außer natürlich für Rechtsextremismus und Rassismus“, fügt Schönfelder hinzu.

Getreu dem Motto „Weißenohe ist bunt“ ist das Innere des Jugendtreffs im wahrsten Sinne des Wortes farbenfroh: Die Wände sind in knalligem Orange gestrichen. Dekoriert ist das Zimmer mit Postern von den „Simpsons“, der Hip-Hop-Band „Fettes Brot“ und der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Die alten Wasserrohre des Schulgebäudes sind mit schwarzer Farbe übermalt und mit Lichterketten geschmückt. Rechtsextremismus ist hier ein Thema, das die Heranwachsenden mehr beschäftigt als anderswo. „Wir haben wegen des Kriegerdenkmals die Rechten ja sozusagen ständig vor der Tür“, sagt Schönfelder, „da werden die Jugendlichen natürlich besonders für das Thema sensibilisiert und müssen gut informiert werden.“ Deshalb reißt der Jugendpfleger das Thema bei den Jugendtreffs immer wieder an und plant Aktionen, um einer Beeinflussung der Jugendlichen vorzubeugen: Regelmäßig organisiert er Ausflüge zum Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, die er mit einer Besichtigung des Fußballstadions verknüpft. „Die Jugendlichen bekommen Geschichte so quasi über Umwege verpasst“, grinst Schönfelder, wird aber gleich wieder ernst: „Wenn sie also mal als Fans bei einem Spiel sind und die nationalistischen Schlachtgesänge hören, erinnern sie sich hoffentlich zurück an den Tag im Dokumentationszentrum.“

Besonders wichtig ist für Schönfelder, den Jugendlichen „etwas mit auf den Weg zu geben“ und zu ihrer Sozialisation beizutragen. „Ich will die Jugendlichen begleiten und unterstützen und ihnen zeigen, wo in der Gesellschaft ihre Chancen und Grenzen liegen“, sagt er. Gemeint ist damit die Demokratieerziehung, wie es im pädagogischen Fachjargon heißt. Den Jugendlichen solle klar gemacht werden, dass sie sich zwar ihre eigenen Regeln geben können, sich aber auch nach ihnen richten müssen, so Schönfelder. „Auch hier im Jugendtreff können die Jugendlichen mitbestimmen. Ganz demokratisch eben“, erklärt der Jugendpfleger. 

Nur eine Entscheidung habe er bislang alleine getroffen: das Bandprojekt ins Rollen zu bringen, gesteht Schönfelder mit einem Lächeln.

 

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